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Im Westen viel Neues
Rund um den Kurfürstendamm verändert Berlin sein glänzendes Gesicht

An schmissigen Schlagzeilen über den Kurfürstendamm mangelt es gerade mal wieder nicht – und viele davon zeigen, wie begehrt das Zentrum der westlichen Berliner Innenstadt ist. Rund um Karstadt ist ein Shoppingcenter geplant, für das Ku’damm-Karree mit den zwei Boulevardtheatern interessieren sich neue Investoren, und am östlichen Ende der 3,5 Kilometer langen Straße entsteht das Hochhaus „Upper West“.

Die AG City will sogar die Tauentzienstraße nebenan in Kurfürstendamm umbenennen, blitzt damit jedoch bei Bezirkspolitikern ab.

Alle reden vom neuen Aufschwung des Ku’damms, dessen Entwicklung wir jetzt noch ausführlicher im Ku’damm-Blog zeigen.

„Der Ku'damm ist moderner und internationaler denn je“

Vor allem für die vielen Luxusläden ist der Ku’damm bekannt – auch unter Gangstern, die soeben einen Geldtransporter am Apple-Store und einen Juwelier am Olivaer Platz beraubten. Spitzenmieten für Geschäfte sind auf 300 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Einen „rasanten“ Aufschwung der „absoluten Top-1A-Lage“ sieht die Immobiliengesellschaft CBRE. Der Ku’damm habe „eine traumhafte Entwicklung genommen“ und sei „moderner und internationaler denn je“, findet Klaus-Jürgen Meier, Vorsitzender der AG City.

Etwa 3,76 Millionen Treffer zeigt die Internet-Suchmaschine Google für Berlin und den Kurfürstendamm an – weit mehr als die 2,17 Millionen für die Friedrichstraße in Mitte, von der früher oft behauptet wurde, sie überflügele den angeblich verstaubten alten Westen. Das war aber nie so, wie auch Passantenzählungen von Maklerfirmen bewiesen.

Schaufenster des Westens

Allerdings schließen fast alle Läden um 20 Uhr, und danach ist wenig los. Die größten Menschenmassen hat es in den 1990er Jahren bei der Love Parade gegeben – und beim Mauerfall am 9. November 1989, als das Kranzler-Eck der Sehnsuchtsort vieler Ost-Berliner war. „Schaufenster des Westens“ hießen Ku’damm und Tauentzienstraße in den Zeiten des Kalten Krieges.

Rundum werden immer mehr Wohnungen gebaut

Auch als Wohngegend ist die Umgebung einer der gefragtesten Orte Berlins, vor allem südlich des Ku’damms gab und gibt es viele Neubauten. So legt die Sanus AG am Donnerstag den Grundstein für 221 Wohnungen an der Seesener Straße nahe dem S-Bahnhof Halensee. Im Haus Cumberland und in der Emser Straße entstanden Luxuswohnungen. Die Kleingartenkolonie an der Württembergischen Straße musste mehr als 200 Wohnungen weichen. An der Lietzenburger Straße entstehen die „Charlottenhöfe“ mit 75 Wohnungen und „Concierge- und Butler-Service“. Nur einen Steinwurf entfernt wächst das „Quartier Pariser Straße“ mit 43 Wohnungen an der Stelle der früheren Disko „Madow“ am Olivaer Platz heran. All diese Projekte richten sich an eine zahlungskräftige Klientel.

Der Charlottenburg-Wilmersdorfer Stadtentwicklungsstadtrat Marc Schulte (SPD) lobt die Vielfältigkeit des Ku’damms, der eine Flaniermeile geblieben sei. „Man möchte auf den Plätzen sitzen“, deshalb plane der Bezirk eine Neugestaltung des Joachimsthaler Platzes.

Bei jeder Fußball-WM rollt der Autokorso

Bei der Fußball-Weltmeisterschaft rollte nach jedem Sieg der deutschen Elf ein langer Autokorso über den Boulevard, der spätestens seit der Fußball-WM 2006 eine inoffizielle Festmeile der Fans ist. Besonders groß ist das Gehupe und Gedränge stets an der Ecke Joachimsthaler Straße vor dem Neuen Kranzler-Eck. Dieser vom Architekten Helmut Jahn entworfene Glaspalast galt nach der Eröffnung im Jahr 2000 als wegweisend für viele weitere Projekte.

Junge Menschen lockt abends wenig

Junge Leute zieht es fast nur tagsüber an den Ku’damm, wo sich Modefilialisten nahe der Gedächtniskirche angesiedelt haben. Die Clubszene dagegen hat sich weitgehend verabschiedet. Zu den wenigen Ausnahmen zählen die „Puro Sky Lounge“ im Europa-Center sowie „Maxxim“, „First“ und „Q-Dorf“ an der Joachimsthaler Straße. Szenekenner der Berliner „Club Commission“ glauben nicht an ein größeres Comeback – dafür seien die Mieten zu hoch.

Nachtschwärmer freuen sich daher über jeden neuen Treffpunkt in der Nähe. Ein Beispiel ist die „Monkey Bar“, die Anfang dieses Jahres im zehnten Stock des Hotels „25hours“am Zoo eröffnete. Der Andrang ist so groß, dass oft Türsteher den Einlass regeln.

Das gastronomische Leben spielt sich vor allem in Seitenstraßen ab

Ältere Berliner vermissen Institutionen wie die Cafés Möhring und Kranzler, Letzteres ist auf seine kleine Rotunde geschrumpft. Die Kaffeekränzchen-Ära scheint vorbei, auch wenn es einige Cafés am Straßenrand gibt – etwa das „Einstein“ am George-Grosz-Platz, „Wohlfahrt’s & Dressler“ im Ku’damm-Karree oder die „Brasserie Le Paris“ im Maison de France. Einem klassischen Kaffeehaus gleicht am ehesten das Ende 2012 eröffnete „Grosz“ im Haus Cumberland mit acht Meter hohen Decken, Jugendstilsäulen und Marmorboden.

Noch immer finden viele Touristen, es gebe zu wenig Gastronomie. Die Lösung scheint jedoch einfach: Man muss nur ein paar Schritte in die Seitenstraßen gehen, wo sich ein Lokal ans nächste reiht.

Menschenschlangen sind abends vor dem Theater und der Komödie am Kurfürstendamm zu sehen. Von den einst zahlreichen Kinos ist dagegen fast keines mehr übrig, in bekannten früheren Spielstätten der Berlinale verkaufen heute Modeläden. Direkt am Boulevard gibt es noch die Astor Film Lounge und das Cinema Paris im Maison de France. Nicht weit entfernt hat Ende 2013 der modernisierte große Zoo-Palast eröffnet, in dem auch wieder die Berlinale gastiert.

In Halensee sind die Menschenströme nicht angekommen

Ruhig geht es im westlichen Straßenteil in Halensee zu, wo der Rathenauplatz das Ende bildet und Wolf Vostells „Beton-Cadillacs“ an den „Skulpturenboulevard“ im Jahr 1987 erinnern. Am S-Bahnhof Halensee hat Ende 2013 ein großer neuer Baumarkt ein eigenes Zeichen gesetzt. Mehrere andere Läden und Lokale im Bereich bis zur Schaubühne am Lehniner Platz stehen leer.

Die Prachtstraße geht auf Bismarck zurück

2011 hatten die Anlieger des Ku’damms dessen 125. Geburtstag gefeiert. Eigentlich ist er viel älter: Kurfürst Joachim II hatte um 1542 einen Reitweg anlegen lassen. Aber erst Otto von Bismarck regte den Ausbau zur 53 Meter breiten Prachtstraße an, zu der ursprünglich noch die heutige Budapester Straße gehörte. Als Geburtstag des Boulevards gilt der 5. Mai 1886, als die erste Dampf-Straßenbahn fuhr. 2016 könnte die AG City das 130. Jubiläum feiern. Ob es wieder ein großes Fest gibt, ist noch offen. Flaniert wird hier sowieso jeden Tag.

Der Tagesspiegel, [24.09.2014]; Simulationen: Promo